Sonntag, 28. September 2014

Über 'Thinspiration' und Vergleiche

In jeder freien Minute saß ich am Handy und schaute mir Blogs von "Pro-Ana"-Anhängern an. Ich sog die auf den Seiten beschriebenen Tipps und Tricks für leichteres Erbrechen und besseres Verheimlichen, die zahlreichen Diäten und die Motivationssprüche regelrecht in mich auf. Ich wollte mehr wissen, alles wissen.
Ich wollte wissen, wie ich das Kotzen vor meiner Familie und meinen Freunden weiterhin geheim halten konnte, sodass sie mein kleines Geheimnis niemals herausfinden würden.
Ich wollte wissen, ob es anderen auch so ging, dass es mit dem Kotzen auf einmal nicht mehr so gut klappte, wie am Anfang, oder ob das nur ein Problem von mir war.
Ich wollte bessere Wege, schnellere Wege zum Abnehmen wissen, suchte nach Möglichkeiten meinen Stoffwechsel anzukurbeln, meinen Körper fit zu halten.
Ich wollte mehr Sprüche lesen, die auf mich zu trafen, die mich bei meinem Weg unterstützen und mir Kraft und Mut geben würden.
Ich schaute mir Fotos von Frauen an, von ihren für mich perfekten Körpern, ihrer elfenhaften Erscheinung, ihrer wunderschönen hervorstehenden Knochen. Ich konnte nicht genug davon kriegen, fing an mir mehr und mehr Bilder herunterzuladen in der Hoffnung selber irgendwann so wunderschön auszusehen, wie die Frauen, die mir ihre scheinbar perfekten Körper offenbarten.


Ich verglich mich mit den Frauen auf den Bildern und fragte mich, warum ich noch nicht so aussah. Ich war das genaue Gegenteil von ihnen. Ich war fett, hässlich, ekelhaft. Ich hatte noch nicht einmal annähernd so einen Körper wie die.
Ich musste schneller abnehmen, koste es was es wolle!

Wenn ich unterwegs war, sah ich mir jede Frau genau an, die mir auf der Straße entgegenkam. Ich suchte nach Fehlern, ihren Problemzonen, um mir sagen zu können, dass ich stärker in meinem Willen war als sie, dass ich mehr Kontrolle über mein Essverhalten und meine Problemzonen hatte.

Bei Frauen, die dicker waren als ich musste ich mir das Lachen verkneifen.
'Was für eine fette Kuh! Komm geh nach Hause und stopf dir noch ne Pizza rein, auf dass du unglücklich und alleine stirbst.', dachte ich.
Ich war froh dünner zu sein als sie, heilfroh selbst nicht so auszusehen und bestärkt darin meinen Weg weiterhin so zielstrebig zu verfolgen.
Ich sah jedoch auch viele Frauen, die schöner waren als ich, vor allem viel viel dünner. Ich suchte und suchte nach kleinen Speckröllchen, zu breiten Oberschenkeln, einem hässlichen Gesicht, doch ich fand nichts. Sie waren einfach nur wunderschön.
In diesen Momenten hasste ich mich selbst am meisten. Immerhin war ich schon Monate dabei abzunehmen und war immer noch so fett und hässlich wie vorher. Nur eben mit 30 Kilos weniger als vorher. Aber was waren schon die paar Kilos? Ich hatte noch nichts geschafft. Ich würde niemals so schön aussehen, wie die Frauen auf der Straße, geschweige denn wie die auf den Bildern in meinem Handy. Das was ich fühlte war purer Neid, weil ich auch so aussehen wollte und blanker Hass mir selbst gegenüber, weil ich meiner Meinung nach zu nichts fähig war.

Meistens kam es genau nach solchen Momenten zu Fressanfällen..

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