Als ich anfing Glaubersalz als Abführmittel zu benutzen, hatte ich schon 30 Kilo abgenommen, war also auf knapp 88 Kilo.
Es war Anfang November und meine WG hatte sich schon daran gewöhnt, dass ich inzwischen mehrmals am Tag das Bad blockierte, um mich zu übergeben. Ich musste mich nicht mehr rechtfertigen, warum ich so lange im Bad war, das Einzige was ich sagen musste war „Ich bin dann mal im Bad.“, und schon wussten mein Freund und mein bester Freund Bescheid und stellten keine Fragen mehr.
Es war alles schon Routine geworden. Ich ging ins gekachelte Badezimmer, schloss die Tür ab, griff mein Handtuch und legte es als Polsterung vor die Toilette. Ich drehte den Wasserhahn auf, damit er die Geräusche übertönte, die ich beim übergeben machte und wählte mir ein passendes Lied von meinem Handy aus, damit es ein bisschen gemütlicher für mich war. Meistens war es ‚Courage‘ von Superchick. Ich kniete mich vor den Toilettensitz, nahm meine Zahnbürste in die Hand und führte sie mit dem Stiel zuerst in meinen Mund ein. Ich strich kurz über meinen Bauch, der vom Essen leicht gewölbt war und wusste, dass diese unangenehme Wölbung und das drückende Gefühl im Magen gleich verschwunden sein würden. Ich würde mich erleichtert fühlen, darüber dass die Kalorien, die ich zuvor in mich hinein geschlungen hatte, sich morgen auf der Waage nicht bemerkbar machen würden. Ich bewegte die Zahnbürste leicht nach rechts und links und begann leicht zu würgen, ein weiteres Mal nach rechts und links bewegt und der erste Schwall des Essens glitt meine Speiseröhre hinauf, glitt durch meinen Mund und platschte in die Toilette hinein. Das laute Platschen wurde von der Musik und dem laufenden Wasserhahn übertönt. Ich strich über meinen Bauch und merkte das die Wölbung kleiner war als vorher. Ein paar Mal noch kam ein leicht bitter schmeckender Brei meine Speiseröhre hoch und platschte in die Toilette vor mir.
Am Ende schnupfte ich mich aus, wischte die Toilette ab, betätigte die Spülung, klappte den Toilettendeckel zu, wusch die Zahnbürste ab, meine Hände und mein Gesicht, schaute in den Spiegel vor mir und lächelte.
Irgendwann funktionierte es jedoch nicht mehr so gut mit der Zahnbürste. Es dauerte immer länger teilweise eine Stunde bis mein Magen leer war, da der Würgreflex nach den vergangenen Monaten fast nicht mehr vorhanden war. Ich probierte die verschiedensten Positionen aus um mich besser übergeben zu können, ich trank mehr Mineralwasser, damit es besser und druckvoller rauskam. Doch irgendwann funktionierte auch das nicht mehr. Ich musste mir etwas Neues einfallen lassen.
Ich versuchte so gut es ging durchzuhalten und wenig zu essen, versuchte keine Fressanfälle mehr zu haben, damit meine Speiseröhre sich regenerieren konnte und hoffte, dass auch mein Würgreflex zurückkehren würde. Ich übergab mich nun anstatt mehrmals am Tag ‚nur noch‘ zweimal die Woche, was mir sehr schwer fiel.
Meine Familie und meine Freunde hatten bis dahin immer noch nicht mitbekommen, dass ich mich übergab um mein Gewicht weiter zu reduzieren. Wenn ich zu Besuch bei jemandem war, aß ich wenig bis gar nichts, in Restaurants wenn überhaupt nur Salat um so viele Kalorien wie es geht einzusparen. Komischerweise ist niemand auf die Idee gekommen dass irgendetwas nicht stimmen könnte.
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